Paris. Ein Fest für’s Leben. Und zu jeder Jahreszeit.

Die allseits bekannte Stadt der Liebe und Lichter hat mit Romantik eigentlich wenig am Hut. Je nach Epoche stinkt es entweder aus der (Metro-)Hölle oder man kann die fahlen Gesichter kaum vom Grau des Himmels und der Mauern unterscheiden. Hinzu kommt die nicht gerade herzerwärmende Art der Pariser, die einen bei falsch verwendeten Nasallauten schon einmal vernichtende Blicke zuwerfen. Menschen, die Frösche und Schnecken als Haute Cuisine bezeichnen, traue ich generell nicht wirklich und was die Miet- und Bierpreise betrifft, will ich mich gar nicht erst äußern.

Das knappe Jahr, das ich in Paris verbrachte, war trotzdem schön. Wie so oft, sind es die kurzen Momente, die winzigen Details, die besonderen Situationen, die aus meinem Aufenthalt eine unvergessliche Zeit machten. Wer trotz oder gerade wegen der einladenden Eingangsworte Lust auf meine persönlichen Tipps rund um die Stadt bekommen hat, der möge sich folgende Zeilen zu Gemüte führen:

Printemps

Wenn aus grau hellgrau wird und die Sonne sich peu à peu aus ihrem Versteck traut, dann ist in Paris der Frühling angelangt. Die Haut sehnt sich nach Vitamin D und so strömen die Menschen massenweise raus in die Parks, Gärten und Balkone. Südländer können dieses nordische Bedürfnis gar nicht nachvollziehen. Ganz wunderbar kann man den Lenz im kleinen Square der Rue Titon genießen. Dort gibt es ein geräumiges Sonnendeck, das man sich allerdings mit den plötzlich freundlichen Franzosen teilen muss. Am besten schnappt man sich zuvor noch ein Baguette aus der hippen Bäckerei von Cyril Lignac, grad am Eck, und dann kann einem perfekten Tag nichts mehr im Wege stehen. Wer dann doch weiter ziehen möchte, der möge sich eine schnelle oder auch langsame citron pressé im Le pure café gönnen, so wie es  Julie Delpy in Before Sunset vormacht. Den Verdauungsspaziergang empfehle ich auf der promenade plantée über dem Viaduc des Arts zu unternehmen, einer ehemaligen Hochbahnstrecke, die als Inspiration für die New Yorker Highline galt. Man ergattert auf dieser ewig langen Promenade einzigartige Blicke in die Wohnzimmer der Stadt. Ganz in der Nähe, nämlich beim Gare de Lyon, befindet sich die Rue Crémieux, die einen für einige Schritte in eine kunterbunte Häuserwelt versetzt, ganz passend zu den aufkommenden Frühlingsgefühlen. Apropos: wer das Bedürfnis verspürt, sich von Altem befreien und Neues besorgen zu müssen, der sollte den weiten Weg (Metro: Porte de Clignancourt) zum angeblich größten Flohmarkt der Welt nicht scheuen. Man wird seinen Augen nicht trauen, so viel vorweg.

Été

Die schönste der Jahreszeiten kann mit einem einzigen Wort gleichgesetzt werden: Picnic. Franzosen und auch Sonstige sind ganz verrückt danach, an Feierabenden die Ufer und Parks der Stadt zu besiedeln. Wer das Wasser dem Grün bevorzugt, dem empfehle ich zweifelsohne eine Flasche Champagner zu besorgen (denn stinknormalen Sekt sucht man vergebens) und sich unter der Pont des Arts niederzulassen, mit Blick auf die Île de la Cité. Nach ein paar Schlückchen findet man auch Vergnügen daran, den Bateaux Mouches zuzuwinken. Die Bobos quetschen sich allerdings eher an den Rand des Canal St. Martin (dort wo Amélie im roten Kleid Steinchen wirft) und man kann es ihnen ruhig gleichtun. Dort wird auch Bier akzeptiert. Drückt den Mädls irgendwann die Blase oder ist die Sommernacht doch nicht so lau wie gedacht, dann sollte man unbedingt ins Chez Prune gehen. An Wochenenden bieten sich, wie schon erwähnt, vor allem die Parks zu einer gemütlichen Zusammenkunft auf karierten Decken an. Die coolen Kids hocken zusammengepfercht auf schätzungsweise zehn Quadratmetern, die im Jardin du Luxembourg vorgesehen sind. Weniger streng und bürgerlich geht es im kleinen aber feinen Parc de Belleville oder im Buttes Chaumont zu. Ersterer bietet übrigens von der oberen Plattform aus den wohl besten Blick auf die Stadt. Zweiterer hat was von einem Fantasyfilm, mit seinem Pavillon, der über Wasserfällen, Schluchten und einem See thront. Das Beste: jeden Tag um 9 Uhr gibt Meister Thôi gratis Unterricht in Qi Gong oder Tai Chi. Eine alternative Art Paris zu Fuß zu erkunden, bieten die Schienen der Petite Ceinture, der ehemalig wichtigsten Eisenbahnlinie. Für dieses nicht gerade legale Vorhaben empfiehlt sich gutes Schuhwerk und eine Taschenlampe für das Durchqueren der Tunnel. Kann auch sein, dass man über oder unter hohe Zäune klettern bzw. kriechen muss. Des Nachts sind die Terrassen der Cafés (Sommer wie Winter) gesteckt voll und ist man zur Zeit der Fête de la Musique in Paris, so kann man die ganze Stadt tanzend abklappern.

buttes chaumont

Automne

Der Herbst hat, wie auch sonst überall, zwei Gesichter. Einen typisch melancholischen Tag kann man wunderbar bei einem Spaziergang durch die Friedhöfe beginnen. Mein Favorit für alle Zeit ist selbstverständlich Père Lachaise. Ob nun mit oder ohne Grabplan ausgestattet, einige Stunden im Labyrinth der toten Berühmten wirken wie eine Reise durch die Vergangenheit. Lediglich die Heroinspritzen am Grab von Jim Morrison irritieren ein bisschen. Möchte man auf dem religiösen Trip bleiben, sollte man auf keinen Fall die große Moschée auslassen. Wie in einer Oase der Sahara trinkt man gemütlich seinen Pfefferminztee und lauscht den Gebeten. Jedes Jahr zu dieser Zeit findet ebenso das Weinfest am Hügel des Montmartre statt: man trinkt und isst sich durch die pittoresken Gassen und genießt das Leben auf einer der berühmten Stufen, die zum Sacré Coeur führen. Selbstverständlich stehen eigentlich das ganze Jahr über Museen und Ausstellungen auf dem Programm, wetterbedingt sind Oktober und November jedoch der ideale Zeitpunkt dafür. Angefangen beim Louvre (für die Touris), über das Musée d’Orsay (für die Romantiker), bis hin zum Centre Pompidou (für die Modernen) oder dem Palais de Tokyo (für Bobos) – es gibt genug für alle und für jeden Geschmack. Auch beim französischen Äquivalent zur Langen Nacht der Museen, der Nuit Blanche, kann man Kunst und Tourismus verbinden.

père lachaise

Hiver

Bonjour Tristesse! Mich persönlich erheitern ausschließlich Gaumenfreuden zu dieser trostlosen Zeit. Und davon gibt es zum Glück jede Menge: wie wäre es mit einem Café Crème XXL auf der Terrasse des Aux Folies in Belleville? Diese eigentlich versiffte Bar ist coolster Treffpunkt im 19. und 20. Arrondissement. Lonely Planet sei Dank. Hat man das große Glück zum Jahreswechsel in der Stadt zu weilen, dann ist es oberste Pflicht ein Stück Galette des Rois zu probieren, dem Kuchen der Heiligen Drei Könige. Den BESTEN seiner Art kauft man im Blé Sucré (Metro: Ledru Rollin) und wenn man früh genug dran ist, ergattert man auch ein ofenfrisches Pain au Chocolat (übrigens das BESTE in Paris). So schmeckt der Himmel. Zwei Gehminuten entfernt sollte man unbedingt Halt beim Baron Rouge machen und sich ein Gläschen Wein mit frischen Austern gönnen. Das Geldbörserl wird weinen, aber in den Monaten mit „r“ darf man sich diese Spezialität auf keinen Fall entgehen lassen. Übrigens gibt es auch Aktivitäten in Paris, die einen nichts kosten (ja, da staunte auch ich): ein Beispiel wäre das sonntägliche Gratiskonzert in der Madeleine-Kirche, in der Nähe der Oper. Im Anschluss daran kann man einen Hauch 19. Jahrhundert einatmen und durch die Galerien und Passagen des Opernviertels flanieren. Der krönende Abschluss einen Wintertages könnte eine heiße Schokolade auf der beheizten Terrasse einen typischen Cafés im Szeneviertel Marais sein.

hiver

Paris ist pulsierend und schnell. Am besten lässt man sich mitreißen und vergisst seine Vergangenheit als Landei, sonst kann diese Stadt auch auslaugend wirken. Jedenfalls habe ich mir einen Lebenstraum erfüllt und eine Zeit lang in der Metropole gelebt. Hemingway war da ganz meiner Meinung:

If you are lucky enough to have lived in Paris as a young man, then wherever you go for the rest of your life it stays with you, for Paris is a moveable feast.

Are you bobo?

Hipster dieser Welt: wusstet ihr, dass ihr Kinder der bobos seid? Ob nun Generation Y oder Weichei oder Rettich (ja, das habe ich mich auch gefragt) – all das kennen wir. So heißen uns zumindest die klugen Leute von der Zeitung. Es vergeht ja mittlerweile kein Tag mehr, an dem man nicht über einen Artikel zum Thema stolpert – desaströse Zukunftsprognosen inklusive. Zugegeben: ich lese die meisten. Wahrscheinlich bin ich auf der Suche nach meiner wahren Identität und nichts hilft mir dabei mehr als die Kategorisierung. Und wenn schon Schublade, dann aber bitte mit Stil: ich bin also bobo. Oder sagen wir: die Welt geht zu Grunde, aber mit Klasse.

Nomen est omen und so ist es wohl kein Zufall, dass ein Oxymoron als Oberbegriff meiner besagten génération perdue dient. Die Verschmelzung von bohémien und bourgeois vereint das Unvereinbare: Hippie und Yuppie, Lack und Rüschen, Rebellion und Reichtum. Von allem ein bisschen, aber bitte kein Extrem. Anpassungsfähigkeit oder Opportunismus? Das sei dahin gestellt. Wir machen es uns eben bequem, schließlich sind wir Kinder der Helikopter-Eltern. Wir wollen also in die Chefetage mit Teilzeitjob – die ein oder zwei Sabbaticals gehen sich da schon aus.

Meine ersten Begegnungen mit den bobos waren klarerweise in Paris. Die sind dort nur unschwer an ihren äußeren Gepflogenheiten zu erkennen. Der Klassiker bei den mademoiselles: elegantes Outfit mit Blazer, zumeist schwarz, und die obligatorischen Nike Turnschuhe mit neonfarbenen Streifen. Coco Chanel würde sich im Grab umdrehen. Bei den Männern geht’s auch nicht unbedingt rebellisch zu – mit Mokassins, Lederrucksack und Fischermütze. Ausnahmslos. Aber Achtung: einen einheitlichen Stil gibt es nicht, das wäre ja mainstream. Der Bobochic schreibt Individualität groß, aber wehe man tanzt aus der Reihe.

Wir sind Flexitarier, weil sonst könnten wir ja keine Hamburger essen und uns mitten im Marais wie in SOHO fühlen. Weniger privilegierte Menschen tun uns schon leid, jedoch sind wir im Grunde froh, dass es uns besser geht. Wir kaufen Jeans Made in Pakistan, aber Gemüse am Markt, sozusagen um das schlechte Gewissen zu kompensieren. Wir leben das Familienmodell unserer Eltern und fügen eine gehörige Portion Carpe Diem hinzu. In der Kirche waren wir das letzte Mal zu Weihnachten – vor zehn Jahren. Aber unsere Kinder werden schon brav getauft, am besten traditionell in Tracht gekleidet.

Es handelt sich also um einen eklektischen Lebensstil einer Eliteschicht, die meint, sie macht es allen recht und alles richtig sowieso. Diejenigen, die daran Kritik ausüben, können einerseits nur die spießigen Biedermeier, andererseits die Öko-Taliban sein, auch Neider genannt. Das Schöne am Bobodasein ist die Tatsache am Stammtisch fünf Schnäpse kippen und dem Land Tirol die Treue schwören zu können, ohne dabei auf die neue Ausstellung im Centre Pompidou verzichten zu müssen. Die goldene Regel lautet: alles geht. Und sonst wird es der Papa schon möglich machen.

Bisou Bisou

un-bobo-a-hipster

Things that bobos never say:

– I got to know this band when everyone already knew it
– What does YOLO mean?
– Wish these jeans weren’t so skinny
– Life was better before the Iphone
– What’s Instagram?